„Accrochage, [frz. von accrocher‚ ‚auf-, anhängen‘ ], die, in Frankreich spätestens seit den 60er Jahren des 20. Jh. für die Hängung von Bildern in Mus. gebräuchl. Ausdruck, der in die internationale Galeristensprache eingegangen ist i. S. von Ausstellungen eigener Bestände von Privatgal., meist Werke versch. Künstler.......“ (Der Kunstbrockhaus, Band 1)
In der Ausstellung „Accrochage # 1“ werden in einem ehemaligen Ladengeschäft 6 Wochen lang 10 zeitgenössische Künstler gezeigt, von denen einige erstmals in Saarbrücken zu sehen sind. Von den aus dem Saarland stammenden Künstlern werden neue, noch nicht gezeigte Werke ausgestellt. Da es sich um ein Zwischennutzungsprojekt handelt, wurden die Räumlichkeiten so belassen wie vorgefunden, um sie am Ende der Ausstellungszeit unverändert dem Vermieter zu übergeben. Der Ausstellungstitel weist daraufhin, daß es sich weder um eine Themenausstellung noch um eine Einzelausstellung handelt. Vielmehr werden unterschiedliche Künstler, ohne Rücksicht auf Stil, Material oder Nationalität ausgestellt. Beim genaueren Betrachten der Kunstwerke fallen jedoch Gemeinsamkeiten bzw. Ähnlichkeiten auf, die mit den Begriffen „Architektur und Konstruktion“ zusammengefaßt werden könnten.
Ursel Kesslers (*1944 Bexbach) wichtigstes Thema sind ohne Zweifel Architektur und Stadtplanung. Aus ihren Bildern, meist in einer grauen Farbpalette gemalt, ist jeglicher Hinweis auf Organisches oder menschliches Leben verbannt. Kessler möchte weder moderne Bauweisen noch aktuelle Städteplanung kritisieren. Vielemehr ist sie an formalen Problemlösungen interessiert und wählt Grau als neutrale Farbe ohne Wertung. Der ungewöhnliche farbliche Nuancenreichtum sowie die anspruchsvolle differenzierte Malweise verleihen den Bildern ihre hohe Qualität. Auch Tina Gillen (*1972 Luxemburg) greift oftmals auf Architekturmotive zurück und erweitert ihr Repertoire um abstrakte Malerei. So bewegt sie sich auf der Grenze von Ungegenständlichkeit und Figürlichkeit. Ein sichtbarer Pinselduktus und Tropfspuren verweisen auf den Malprozeß. Surreal bewegen sich ihre Formen und Gebilde in undefinierbaren Räumen und lassen den Betrachter im Unklaren über ihre Bedeutung. Francis Berrar (*1954 Überherrn) beschäftigt sich in den ausgestellten Werken mit der Autonomie der Malerei. Im Vordergrund steht die Selbstreferentialität der künstlerischen Mittel. Immer wieder neu und mit unterschiedlichen Ansätzen erkundet Berrar den fikitiven Bildraum. Sternenförmige Gebilde schweben vor einem farblich und mit sichtbaren Pinselduktus ausdifferenzierten Bildhintergrund und eröffnen ebenso einen imaginativen Bildraum wie bei bei seinen Linienbildern. Das Vorhangmotiv gibt hinter den Linien einen weiteren Bildraum frei. Mane Hellenthal (*1957 Saarbrücken) beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit in ihrem Werkzyklus „Provinzielle Bauwerke“ mit Architektur, die bemerkenswerte und spektakuläre Bauformen aufweist. Die Architekturdarstellungen sind auf einem außergewöhnlichen Bildhintergrund gesetzt. Eine Marmoriertechnik (Öl/Wasser) auf Papier verleiht dem Grund eine einzigartige Struktur. Die kleinformatigen „Katastrophenbilder“ konterkarieren mit der rot-weißen Tischdecke als Bildträger die Assoziationen der dargestellten Gebäude. Andrea Neumann (*1969 Stuttgart) hingegen stellt meist den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Malerei. Oftmals erscheint der Mensch in seiner (architektonischen) Umgebung, wie etwa in der umfangreichen Serie „Work“. Ihre Bildwerke zeichnen sich durch eine äußerst haptische Qualität aus. Die mit Eitempera selbst gemischte Farbe wird teils lasierend, teils opak ohne Vorzeichnung auf die ungrundierte Leinwand aufgetragen. Zufälliger Farbverlauf und unkontrollierter Malprozeß verleihen den Bildern eine abstrakte Tendenz, die im Zusammenhang mit dem Titel das Bild dennoch lesbar läßt. Daniel Hausig (*1959 Kreuzlingen/Schweiz) inspirierte sich an den unregelmäßigen Holzbalkenkonstruktionen von Fachwerkhäusern, um dem Lichtobjekt „Farbgrill“ (2010) seine Form zu geben. Die am Computer programmierte Farblichtanimation verändert permanent ihre Erscheinung und wird so zum bewegten Bild. Farbmischungen aus den Grundfarben erzeugen unterschiedliche Farblichtkontraste und Abfolgen. Die Installation aus Schwimmreifen strahlt eine leuchtende Farbigkeit aus, die jedoch ohne Energie erzeugt wird. Das selbst leuchtende PVC-Material erhält durch das Neonlicht eine noch größere Strahlkraft. Der Künstler Jens Wolf (*1967 Heilbronn) greift ebenfalls auf eine konstruktive Formensprache zurück, die sich an der Klassischen Moderne orientiert. In der für ihn charakterisierenden Arbeitsweise trägt er seine reduzierten geometrischen Formen direkt auf die unbehandelte Spanplatten auf und läßt den Bildträger zum Objekt werden. Die gelegentlich unvollendete Fertigungsweise und der teils beschädigten Bildträger betonen die Objekthaftigkeit und stehen im Gegensatz zur sonstigen perfektionistischen Ausführung. Seine Kompositionen zeigen beides: konstruktives, unbewegtes Formengefüge sowie dynamische Bildfindungen. Indem Jason Gubbiotti (*1979 Wilkes Barre/ USA) seinen selbst hergestellten Bildträgern ungewöhnliche Maße und Formen verleiht, oszilieren seine Werke ebenfalls zwischen Malerei und Objekt. Die Hard Edge-Malerei, eine Malweise mit scharfen Kanten und ohne Pinselduktus, wird aus verschiedenen Formen und Farben konstruiert; mal biomorph organisch, mal geometrisch-konstruktiv. Durch den Einsatz mehrerer Farbschichten sowie verschiedenen Farbqualitäten entsteht eine dynamische Beziehung zwischen Malgrund und Material, trotz der augenscheinlichen Zweidimensionalität. Das endgültige Erscheinungsbild der kleinformatigen mit Tusche gefertigten Zeichnungen von Nadine Pasianotto (*1980 Nürtingen/Baden-Württemberg) ergibt sich erst während der Zeichenhandlung. Das prozesshafte Zeichnen vollzieht sich intuitiv und sukzessiv durch kontinuierliche Wiederholung der Linienführung mit minimaler Abwandlung. Die grazilen und zarten Blätter zeigen abstrakte Formen und Strukturen, die Assoziationen an Fragmente aus der Realität wecken. Die Raumplastiken „Géométrie cristalline“ stammen von der Künstlerin Myriam Mechita (*1974 Straßburg). Mit wenig Material nehmen sie den Raum in Anspruch, der vom Stangengefüge markiert wird. Das Negativvolumen überwiegt und bezieht die Ausstellungsumgebung mit ein. Leichtfüßig und grazil kennzeichnen sie die Struktur von Kristallen, die durch die poppige Farbgebung der Stahlstäbe akzentuiert wird.